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Autorenbild Julia Reckendrees

Mein größter Blattsing-Fail im Vorsingen

Heute möchte ich dir ein Geschichte erzählen von einem Blattsing-Fail aus meinem eigenen Leben...


Ich war noch nicht fertig mit dem Studium, war noch im Master Ensemblegesang (bei dem Blattsingen EIGENTLICH auch auf dem Plan steht, aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag) und habe in den letzten Zügen des Studiums angefangen vorzusingen. Naiv wie ich damals noch war, habe ich begonnen bei den freien Profi-Kammerchören der Szene vorzusingen, in ganz Europa, weil ich dachte, dass das einfacher sei, als direkt bei den großen Rundfunkchören hier vorzusingen. Little did i know... 😂 Denn der Anspruch in den freien Kammerchören, bei denen ich vorgesungen habe, war und ist weiterhin viiiiiel höher als bei den Radiochören. (Um ein paar Namen zu nenne: Collegium Vocale Gent, Capella Amsterdam, Nederlands Kamerkoor, Chorwerk Ruhr, etc.)


Nun gut. Da stand ich nun, bei einem der Vorsingen eines großen, rennommierten Profi-Chores, nervös wie sonst was, war mein Traum doch so nah, in solch einem Ensemble mitzusingen.

Ich hab mich zwar sehr wohl gefühlt mit den Menschen dort, wurde freundlich empfangen. Aber da ich noch nicht so erfahren war, was das Vorsingen angeht, wusste ich nicht so recht, was auf mich zukommt. (Mittlerweile weiß ich, dass es sowieso eine Wundertüte bleibt. Auch das: a story for another day)


Ich fing mit meinen Solo Arien an. Es war okay. Nicht immer ganz frei, aber auch nicht ganz schlecht, denn ich habe Stücke ausgewählt, die mir gut in der Stimme liegen und vor allem Freude bereiten.

Dann kamen die Pflicht Ensemble Stücke. Ohne Ensemble... nun gut. Das war ich schon gewohnt, auch wenn es für mich bis heute keinen Sinn ergibt, Ensemble Stücke ohne Ensemble vorzusingen. Nichtsdestotrotz ist das weiterhin Gang und Gäbe. Nur in wenigen Chören wird ein Ensemble gestellt, mit dem man gemeinsam musiziert und seine Ensemble-Fähigkeiten zeigen kann.


Dann Blattsingen, verschiedene Stücke.


1. Ein einfacher Bach-Choral. Auch unter Aufregung - gar nicht so einfach.

2. Ein romantisches Chorstück. Joar... schöne Linie, aber meine Nervosität wird größer. Der erste große Sprung bringt mich aus dem Konzept, ich denke zu lange nach, versuche es über meinen Kopf zu lösen... und verhake mich irgendwie. Mein Puls geht hoch. Next.

3. Irgend ein finnischer Komponist. Quinten und Quarten rauf und runter. Als Sopran nicht unbedingt meine Stärke. (Das ist maßlos untertrieben - ich konnte vor allem Quarten abwärts GAR NICHT. Oh Hilf...)

4. Schönberg. Der Endgegner. Atonale Musik, Ganz- und Halbtonschritte abwechselnd, kein Zusammenhang zu Dur oder Moll, große Sprünge, kleine Sprünge, ich konnte eine große Terz nicht mehr von einem Tritonus unterscheiden. AAAAAAHHH. Mega Chaos in meinem Kopf. Mein Herzschlag - auf 180


"Wir würden gerne den Mozart noch mal hören" - nichts hab ich mehr hingekriegt.


"Danke. Wir melden uns bei Ihnen."


Das war mit das unangenehmste Vorsing-Erlebnis, das ich je hatte. Und zwar nicht weil ich schlecht vorbereitet war, oder stimmlich schlecht drauf war, oder oder... nein. Das Blattsingen hat mich so nervös gemacht, dieser eine kurze Moment im romantischen Stück hat mich so rausgebracht, dass ich danach nur noch Mist gebaut habe und gefühlt gar nichts mehr hinbekommen habe.

Das Vorsingen war also nicht schlecht, sondern vor allem das Gefühl, mit dem ich nach Hause ging. Ich bin sicher, man hat es mir angesehen.

Und nein - ich habe danach keine Einladung für ein Projekt bekommen.



Das war der Punkt, an dem ich für mehr Verlässlichkeit und Sicherheit sorgen wollte. Denn ich wusste - das Blattsingen, das bei weitem nicht schlecht war, kann mir im Ernstfall einfach einen Strich durch die Rechnung machen. Ich wollte meine gesangliche Leistung nicht dadurch schmälern lassen, dass ich diesen Skill nicht gut genug drauf habe, bzw. mich dieser Teil eines Vorsingens so nervös macht, dass meine Solo-Stücke, die gut einstudiert waren und mit denen ich mich wohl fühlte, plötzlich zur Katastrophe werden.

Ich habe in den Jahren danach nicht nur meine Blattsing-Skills verbessert, sondern auch immer wieder neues Repertoire lernen müssen, weil ich so viel zu singen hatte.


Und jetzt ist für mich Blattsingen eine Superpower, wegen der ich Engagements bekomme, spannende Projekte angeboten kriege, und spontane Einspringer annehmen kann, weil ich weiß - ich kann mich auch unter Nervosität darauf verlassen. Und es macht mich in vielen Momenten nicht mehr nervös, sondern spornt mich an, fordert mich heraus, fühlt sich an wie ein einfaches Sudoku. 😎


Wenn du einen Einblick in meine Methode bekommen willst und noch nicht angemeldet bist, dann komm zu meinem Mini Schnupper-Workshop für Profi-Musiker*innen, die mit der Stimme arbeiten, am 27.01.23 um 17 Uhr in meinem Zoom Raum. Hier findest du den Link zur Anmeldung.


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