Als Kind hatte ich einen großen Traum: ich wollte Musical-Sängerin werden! Ich träumte vom Schauspielen und vom Singen der ganz großen Balladen.
Ich bekam den Rat: „Studier‘ doch erstmal Lehramt mit Hauptfach Gesang. Da bekommst du eine breite Ausbildung und lernst viel kennen, und dann schaust du weiter.“
Das habe ich getan, und von vorn herein hing ich wieder zwischen den Stühlen: ich hatte das klassische Hauptfach, bin aber schon im 1. Semester in den Jazz- & Popchor „Vocal Journey“ eingestiegen und meine Liebe für die Popmusik wurde erneut entfacht, bzw. wurde das Feuer weiter angeheizt! 8 Jahre lang sang ich unter der Leitung von Stephan Görg und Erik Sohn unzählige Konzerte. Vor allem das Festival "Voc.Cologne" gab mir jedes Jahr aufs neue Wind unter den Flügeln.
Aber schon im Grundstudium spürte ich ein Gefühl des Mangels. Ich hatte das Gefühl, ich singe nicht genug. Ich bin nicht genug Sängerin. Also studierte ich parallel zum Hauptstudium noch einen Bachelorstudiengang in Gesangpädagogik. Plötzlich hatte ich mehr Unterricht, zusätzlich Korrepetition und noch viel mehr Kurse, die sich ganz ums Singen drehten. Mit dem Ziel: Gesangslehrerin zu werden.
Mit Abschluss des Studiums kam dieses komische Mangelgefühl wieder… „Das reicht mir nicht“ spukte es in meinem Kopf. Nach tollen Projekten in anderen Chören, u.a. dem Deutschen Jugendkammerchor unter der Leitung von Robert Göstl war klar: ich will die Aufnahmeprüfung für den künstlerischen Master in Düsseldorf machen. Dort gab es den in Deutschlang seltenen Schwerpunkt „Ensemblegesang“ – genau das was ich später einmal machen wollte!!
Aber auch in diesem Studium bekam ich mit der Zeit ein Gefühl des Mangels: immer wieder hörte ich, ich muss mit dem Pop&Jazz aufhören, mich ganz auf meine klassische Sängerkarriere konzentrieren. Meiner Stimme würde es nicht guttun, wenn ich weiterhin so „brustig in der Mittellage“ sänge. Das sei nicht gesund. Ich solle mich fokussieren. Alles auf die eine Karte setzen.
In meinem jugendlichen Leichtsinn sagte ich „adieu“ zu meiner Jazz- & Pop-Seite und konzentrierte mich vollends auf die Klassik. Mit Erfolg! Alle Vorsingen waren erfolgreich, ich sang in renommierten Profi-Ensembles in ganz Europa, meine Solo-Karriere ging aufwärts und ich tat quasi nichts anderes mehr, als zu atmen und zu singen.
Doch mir fehlte etwas… schon wieder… diese Jazz-&Pop-Seite meldete sich tief in mir, wollte wieder an die Oberfläche. Die Rampensau in mir wollte wieder zum Vorschein kommen.
Bis heute hänge ich zwischen diesen zwei Welten. Immer mit Vorurteilen konfrontiert und mit der Gefahr, entweder zu klassisch klingen zu können, oder eben zu poppig…
Aber eins habe ich festgestellt: ich muss mich nicht entscheiden. In mir leben beide Seiten gleichermaßen. Wie ying und yang ergänzen sie sich, können voneinander lernen und sich gegenseitig stark machen. Und allen Vorurteilen zum Trotz konnte ich beweisen: man kann beides vereinen, ohne Abstriche machen zu müssen.
Und nun lebe ich nicht zwischen den beiden Welten, sondern IN zwei Welten, die ich beide gleichermaßen liebe.
Zwischen welchen Welten bewegst du dich hin und her? Singst du lieber Klassik oder Pop?
Commentaires